BGH,
Urteil vom 22.11.2001 Az.: III ZR 5/01
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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
VERSÄUMNISURTEIL
III ZR 5/01
Verkündet am: 22. November
2001
in dem Rechtsstreit .. /
..
a) Die inhaltliche Verantwortlichkeit für sog. Telefon- oder Sprachmehrwertdienste
(0190-Sondernummern) trifft nach
§ 5 Abs. 1 und 3 TDG grundsätzlich nur den Diensteanbieter,
nicht den die Verbindung zwischen dem Anrufer und dem Diensteerbringer
herstellenden Netzbetreiber.
b) Stellt ein Netzbetreiber auf der Grundlage eines bestehenden (wertneutralen)
Telefondienstvertrags einem Kunden für die Inanspruchnahme von
Telefon- oder Sprachmehrwertdiensten (0190-Sondernummern) das nach der
geltenden Preisliste ermittelte Entgelt in Rechnung, so kann der Kunde
nicht einwenden, die in der Rechnung aufgeführten 0190-Sondernummern
seien zu dem Zweck angewählt worden, (sittenwidrige) Telefonsex-Gespräche
zu führen (Abgrenzung zu BGH,
Urteil vom 9. Juni 1998 - XI ZR 192/97 - NJW 1998, 2895).
BGH, Versäumnisurteil vom 22. November 2001 - III ZR 5/01 - OLG
Celle, LG Hannover
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche
Verhandlung vom 18. Oktober 2001 durch den Vorsitzenden Richter Dr.
Rinne und die Richter Dr. Wurm, Streck, Schlick und Dörr
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird unter Zurückweisung des
weitergehenden Rechtsmittels das Urteil
des 21. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 29. November 2000
teilweise aufgehoben und wie folgt neu gefaßt:
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 14. Zivilkammer des
Landgerichts Hannover vom 9. Mai 2000 unter Zurückweisung des weitergehenden
Rechtsmittels teilweise geändert und wie folgt neu gefaßt:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 21.944,34 DM nebst
5,95 v.H. Zinsen aus 21.944,34 DM vom 21. Oktober 1999 bis zum 31. Dezember
1999,
6,5 v.H. Zinsen aus 5.755,77 DM seit dem 1. Januar 2000,
4 v.H. Zinsen über dem Basiszinssatz, jedoch höchstens 6,5
v.H. Zinsen aus 16.188,57 DM seit dem 1. Januar 2000 sowie
5 DM Mahnkosten zu zahlen. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
Von den Kosten des ersten Rechtszuges tragen die Klägerin 5 v.H.
und die Beklagte 95 v.H.
Die Beklagte hat die Kosten der Rechtsmittelzüge zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Klägerin, die ein Mobilfunknetz betreibt, schloß mit
der Beklagten im Juli 1997 einen Vertrag über Mobilfunkdienstleistungen
ab. Nachdem die Beklagte den zuletzt noch offenen, gemäß
Rechnungsstellung vom 9. Oktober 1999 auf 21.944,38 DM lautenden Betrag
nicht bezahlt hatte, deaktivierte die Klägerin den Anschluß
der Beklagten. Der weitaus überwiegende Teil der in der Rechnung
ausgewiesenen Verbindungsentgelte beruht auf der Nutzung von 0190-Rufnummern
in den Monaten Juni und Juli 1999. Nach Behauptung der Beklagten wählte
ihr Vater diese Nummern an, wobei es jeweils um Telefonsex gegangen
sein soll.
Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß zur Zahlung
des Rechnungsbetrages nebst Zinsen verurteilt. Die Berufung der Beklagten
hatte zum großen Teil Erfolg. Mit der zugelassenen Revision begehrt
die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
Über die Revision ist gemäß §§ 557, 331 ZPO
durch Versäumnisurteil, jedoch aufgrund sachlicher Prüfung
zu entscheiden (vgl. BGHZ 37, 79, 81 ff). Sie hat im wesentlichen Erfolg.
I.
Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet:
Aufgrund der glaubhaften Zeugenaussage des Vaters der Beklagten stehe
fest, daß er unter Benutzung des Mobilfunktelefonanschlusses der
Beklagten die in Rechnung gestellten 0190-Sondernummer-Verbindungen
in Anspruch genommen habe. Dabei habe es sich nach Darstellung des Zeugen
bei etwa 10 v.H. der geführten Gespräche um "Dating-Lines"-Verbindungen
und bei schätzungsweise 90 v.H. um reinen Telefonsex gehandelt.
Nach Überzeugung des Gerichts seien jedenfalls 75 v.H. der geführten
Gespräche als "erotische Echtzeitgespräche" einzustufen;
verbleibende Zweifel bezüglich der Anzahl der tatsächlich
geführten Telefonsex-Gespräche müßten sich dabei
zum Nachteil der beweisbelasteten Beklagten auswirken.
Im Unterschied zu den "Dating-Lines"-Diensten, bei denen lediglich
telefonische Kontakte innerhalb eines zufällig zustande gekommenen,
ständig wechselnden Kreises von Teilnehmern hergestellt worden
seien, seien die den erotischen Echtzeitgesprächen zugrundeliegenden
vertraglichen Vereinbarungen sittenwidrig und daher nichtig. Der Makel
der Sittenwidrigkeit erfasse zwar nicht den zwischen dem Teilnehmer
und dem Telekommunikationsdienstleistungsunternehmen bestehenden Telefonvertrag.
Daher könnte die Klägerin an sich eine Vergütung für
den auf ihre Dienstleistung (Herstellen und Aufrechterhalten der Verbindung)
entfallenden Teil der 0190-Nummern-Gebühren verlangen. Da die Klägerin
jedoch trotz entsprechenden gerichtlichen Hinweises nicht dargelegt
habe, zu welchen Teilen in den Entgelten für Anrufe bei Sondernummer-Teilnehmern
reine Telekommunikationsdienstleistungsentgelte enthalten seien, könne
sie hinsichtlich des auf 75 v.H. geschätzten Aufkommens an erotischen
Echtzeitgesprächen überhaupt keine Vergütung verlangen.
Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht
stand.
II.
1. Hinsichtlich der rechtlichen Bewertung der Sittenwidrigkeit von Telefonsex-Verträgen
befindet sich das Berufungsgericht in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung
des XI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs. Danach sind derartige Vereinbarungen
als sittenwidrig im Sinne des § 138 Abs. 1 BGB und deshalb nichtig
anzusehen, weil durch solche Abreden ein bestimmtes Sexualverhalten
der potentiellen Kunden von Telefonsexdienste-Anbietern in verwerflicher
Weise ausgenutzt werden soll (Urteil
vom 9. Juni 1998 - XI ZR 192/97 - NJW 1998, 2895, 2896 m.zahlr.Nachw.
der unterschiedlichen Meinungen in Literatur und Rechtsprechung der
Instanzgerichte). Die Frage ist auch nach der Entscheidung des XI. Zivilsenats
streitig geblieben (im Anschluß an dieses Urteil Sittenwidrigkeit
bejahend: OLG Stuttgart, NJW-RR 1999, 1430; OLG
Düsseldorf, NJW-RR 1999, 1431; zweifelnd OLG
Jena, OLG-Report 2000, 439, 440; verneinend OLG Köln, MMR 2001,
43, 44 f).
Soweit es darum geht, ob Verträge wegen Verstoßes gegen die
Standards der (noch) herrschenden Sexualmoral sittenwidrig und deshalb
nichtig sind, hat in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten eine erhebliche
Liberalisierung der Vorstellungen stattgefunden. Der Wandel der Moralvorstellungen
ist gerade in jüngster Zeit im parlamentarischen Raum durch den
von der Revision angeführten Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung
der rechtlichen und sozialen Situation der Prostituierten (Gesetzentwurf
der Fraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen, BT-Drucks.
14/5958) deutlich geworden und auch von der höchstrichterlichen
Rechtsprechung verzeichnet worden (BFH, NJW 2000, 2919 zur Frage, ob
Telefonsex-Dienstleistungen zu Einkünften aus Gewerbebetrieb führen,
und der zur Veröffentlichung vorgesehene Beschluß des Bundesverwaltungsgerichts
vom 18. September 2001 - 1 C 17/00 - zur Frage, ob die Prostitutionsausübung
durch die EG-vertragliche Niederlassungs- oder Dienstleistungsfreiheit
erfaßt wird). Es erscheint daher schon jetzt zweifelhaft, ob der
Rechtsprechung des XI. Zivilsenats weiterhin zu folgen ist. Jedenfalls
dann, wenn dieser Entwurf Gesetzeskraft erlangen sollte, stellt sich
die Frage der rechtlichen Bewertung von Telefonsex-Verträgen völlig
neu.
2. Die Frage, ob Telefonsex-Verträge nach wie vor als sittenwidrig
im Sinne des § 138 Abs. 1 BGB anzusehen sind, kann indes dahinstehen.
Die von der Klägerin für die Anwahl von 0190-Sondernummern
in Rechnung gestellten Beträge hat die Beklagte in jedem Fall zu
bezahlen. Denn Grundlage der Rechnungsstellung sind nicht besondere,
zwischen der Beklagten oder ihrem Vater getroffene Entgeltabreden mit
den Erbringern von (sittenwidrigen) Telefonsexdiensten, sondern in erster
Linie der zwischen den Parteien geschlossene (wertneutrale) Vertrag
über Mobilfunkdienstleistungen in Verbindung mit der jeweils geltenden
Preisliste. Dies ergibt sich aus der besonderen Natur des Telefondienstvertrags
und den dieses Vertragsverhältnis ausformenden Bestimmungen des
Telekommunikationsgesetzes (TKG) vom 25. Juli 1996 (BGBl. I S. 1120)
und des Teledienstegesetzes (TDG)
vom 22. Juli 1997 (BGBl. I S. 1870), die der XI. Zivilsenat bei
seiner Entscheidung nicht in den Blick genommen hat und aufgrund des
seiner Beurteilung unterliegenden Sachverhalts auch nicht in den Blick
zu nehmen brauchte.
III.
1. Durch den Abschluß des als Dauerschuldverhältnis zu qualifizierenden
Mobilfunkvertrags, der eine besondere Form des Telefondienstvertrags
darstellt, hat sich die Klägerin dazu verpflichtet, der Beklagten
den Zugang zu dem Mobilfunknetz der Klägerin zu eröffnen und
somit unter Aufbau abgehender und Entgegennahme ankommender Telefonverbindungen
mit beliebigen dritten Teilnehmern eines Mobilfunknetzes oder Festnetzes
Sprache auszutauschen (Graf v. Westphalen/Grote/Pohle, Der Telefondienstvertrag,
2001, S. 170 f). Es versteht sich, daß dieser Vertrag nach seinem
aus der Zusammenfassung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu entnehmendem
Gesamtcharakter (vgl. BGHZ 107, 92, 97) nicht nach § 138 Abs 1
BGB nichtig ist. Dies ist nicht deshalb anders, weil bereits bei Vertragsschluß
objektiv die Möglichkeit bestand, unter Benutzung des Anschlusses
der Beklagten Telefonsex-Sondernummern anzuwählen.
Bei der Frage, ob und wie sich die Sittenwidrigkeit eines telefonisch
abgeschlossenen Vertrags auf den Vergütungsanspruch des Netzbetreibers
auswirkt, ist zu beachten, daß dieser an dem zu beanstandenden
Rechtsgeschäft nicht, und zwar auch nicht als Bote (§147 Abs.
1 Satz 2 BGB), beteiligt ist. Er hat keinen Einfluß darauf, welche
Teilnehmer zu welchen Zwecken in telefonischen Kontakt treten. Der Inhalt
der geführten Gespräche ist für ihn nicht kontrollierbar
und geht ihn grundsätzlich nichts an.
Daher stellt der zwischen einem Netzbetreiber und seinem Kunden geschlossene
Telefondienstvertrag ein wertneutrales Hilfsgeschäft dar mit der
Folge, daß sowohl die Wirksamkeit des Vertrags überhaupt
als auch der Entgeltanspruch für die vertragsgegenständliche
Telekommunikationsdienstleistung davon unberührt bleibt, ob ein
Fernsprechteilnehmer die durch das Anwählen einer bestimmten Anschlußnummer
hergestellte Fernsprechverbindung dazu benutzt, ein Telefongespräch
mit sittenwidrigem Inhalt zu führen. Dies leuchtet in denjenigen
von der Rechtsprechung entschiedenen "Telefonsex-Fällen"
unmittelbar ein, in denen sich der Anbieter von Telefonsexleistungen
vom Anrufer unter Benutzung eines "normalen" Telefonanschlusses
eine bestimmte Vergütung hat versprechen lassen (50 bzw. 60 DM,
vgl. die Urteile des AG Offenbach, NJW 1988, 1097 und des AG Essen,
NJW 1989, 3162). Die Auffassung, daß sich der Anrufer bei einer
derartigen Fallkonstellation mit dem Einwand, Telefonsex sei sittenwidrig,
nicht nur gegenüber dem die vereinbarte Vergütung einklagenden
Telefonsex-Unternehmer, sondern auch gegenüber dem die angefallenen
Telefongebühren in Rechnung stellenden Netzbetreiber Gehör
verschaffen könnte, ist, soweit ersichtlich, in Literatur und Rechtsprechung
noch nirgends vertreten worden.
2. Die Wertneutralität des Telefondienstvertrags und der Dienstleistungen
des Netzbetreibers ist nach Auffassung des Senats auch dann von ausschlaggebender
Bedeutung, wenn - wie hier und heutzutage wohl regelmäßig
- Telefonsex-Dienste unter einer 0190-Sondernummer angeboten werden.
a) Die 0190-Sondernummern betreffen sog. Telefon- oder Sprachmehrwertdienste,
auch "Premium Rate"-Dienste genannt (vgl. Vfg 303/1997 RegPT
über die vorläufigen Regeln für die befristete Zuteilung
von noch freien Rufnummern aus dem Teilbereich (0)190 für "Premium
Rate"-Dienste, Amtsblatt des Bundesministeriums für Post und
Telekommunikation, 1997, 1862). Bei der Inanspruchnahme dieser "Premium
Rate"-Dienste sind sowohl nach der Definition der Regulierungsbehörde
als auch nach den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Deutschen
Telekom AG Service 0190 (abgedruckt bei Gehrhoff/Grote/Siering/Statz,
AGB der Deutschen Telekom, D 14.100, dort insbesondere Nr. 7) - die
nach dem Vorbringen der Klägerin die (alleinigen) vertraglichen
Beziehungen zu den hier in Rede stehenden Telefonsex-Diensteanbietern
unterhalten haben soll - mindestens zwei unterschiedliche Vertrags-
und Rechtsverhältnisse zu unterscheiden: die die technische Seite
des Vorgangs betreffende und im Rahmen des Telefondienstvertrags zu
erbringende Dienstleistung des Telekommunikationsunternehmens (vgl.
§ 3 Nr. 16, 19 TKG) und die die inhaltliche Seite des Vorgangs
betreffende "weitere Dienstleistung", hier die Erbringung
von Telefonsex-Diensten. Bei dieser weiteren Dienstleistung handelt
es sich um Teledienste im Sinne des Teledienstegesetzes
(so Schuster, in: Beck'scher TKG-Kommentar, 2. Aufl., § 4 Rn. 4
a; Spindler, in: Roßnagel, Recht der Multimedia-Dienste, §
2 TDG [Stand: Januar 1999] Rn. 36 f). Daraus folgt, daß nach §
5 Abs. 1 und 3 TDG die Verantwortlichkeit für den Inhalt der
angebotenen Dienste den Diensteanbieter, nicht aber daneben (auch) den
den Zugang zur Nutzung vermittelnden Netzbetreiber trifft. Angesichts
dieser klaren gesetzlichen Trennung der Verantwortungsbereiche geht
es nicht an, unter Hinweis darauf, daß Telefonsex ohne Telefonverbindung
nicht denkbar sei und der Netzbetreiber ebenfalls von der (sittenwidrigen)
Leistung des Diensteanbieters profitiere (so vor allem OLG
Stuttgart, OLG-Report 2001, 231, 232; OLG
Düsseldorf aaO), dem Netzbetreiber gleichwohl den sittenwidrigen
Charakter der angebotenen Mehrwertdienste entgegenzuhalten. Vielmehr
bleibt es auch im Bereich der 0190-Sondernummern dabei, daß sich
der Netzbetreiber grundsätzlich nicht darum kümmern muß,
wer zu welchen Zwecken und aus welchen Motiven seine Leistungen in Anspruch
nimmt.
b) Allerdings werden bei der Anwahl von 0190-Sondernummern dem Anschlußnehmer
deutlich höhere Preise als bei sonstigen Gesprächen von gleicher
Dauer in Rechnung gestellt. Das beruht darauf, daß in diesen Entgelten
nicht nur die - wertneutralen - Verbindungspreise, sondern auch die
Vergütung des Diensteanbieters enthalten sind (vgl. nur Nr. 9 des
Preisliste Telefondienst [Inlandsverbindungen] der Deutschen Telekom
AG, abgedruckt bei Gehrhoff/Grote/Siering/Statz aaO D 01.121).
Das Berufungsgericht ist der Auffassung, daß ungeachtet der Unbedenklichkeit
des Telefondienstvertrags und der vertragsgemäß erbrachten
Vermittlungsdienste die Klägerin nicht in der Lage sei, den nichtigen
Vergütungsanspruch des Telefonsex-Diensteanbieters einzuziehen.
Demgegenüber geht die wohl herrschende Meinung in der Rechtsprechung
der Oberlandesgerichte dahin, daß die Wertneutralität der
vertraglichen Beziehungen zwischen dem Kunden und dem jeweiligen Netzbetreiber
auch den für 0190-Sondernummern berechneten Gesamtpreis abdeckt
(OLG Jena aaO; OLG Koblenz,
NJW-RR 2000, 930; OLG
Hamm, MMR 2000, 371; OLG
Saarbrücken, OLG-Report 2001, 123 f). Der letzteren Auffassung
ist zu folgen.
aa) Das bei Inanspruchnahme von Mehrwertdiensten zu zahlende Entgelt
richtet sich grundsätzlich nach der angewählten "Untergasse"
(etwa: 01904: 0,81 DM pro Minute; 01901: 1,21 DM pro Minute usw.). Die
jeweilige, in den Preislisten der Netzbetreiber kenntlich gemachte (vgl.
Preisliste der Deutschen Telekom AG aaO Nr. 9.2 bis 9.5) Preisklasse
hängt nicht davon ab, welche Art von Diensten nachgefragt wird.
An der Erbringung dieser Dienste sind darüber hinaus - zwar nicht
notwendig, aber typischerweise - eine Mehrzahl von Unternehmen beteiligt
(Teilnehmernetzbetreiber, Verbindungsnetzbetreiber, Plattformbetreiber,
Diensteerbringer; vgl. im einzelnen Piepenbrock/Müller, MMR-Beilage
12/1999 S. 2). Jedes Vertragsverhältnis dieser mehrstufigen Beziehungen
ist rechtlich selbständig. Dabei ist sowohl das auf den Telefondienstvertrag
in Verbindung mit der geltenden Preisliste gestützte Abrechnungsverhältnis
der Klägerin zu ihren Kunden als auch das auf der Zusammenschaltungsvereinbarung
zu der Telekom beruhende Abrechnungsverhältnis von der konkret
in Anspruch genommenen Dienstleistung - anders als bei herkömmlichen
Inkassogeschäften - gelöst. Würde man hier, wie das Berufungsgericht
gemeint hat, den von der Beklagten erhobenen Sittenwidrigkeitseinwand
durchgreifen lassen, müßte letztlich auf jeder "Abrechnungsstufe"
getrennt geprüft werden, wie hoch der Vergütungsanteil für
die jeweilige Telekommunikationsdienstleistung ist und ob er gegebenenfalls
von dem (zumindest) auf der letzten Stufe durchgreifenden Sittenwidrigkeitsverdikt
erfaßt wird. Es versteht sich, daß eine derartige Verfahrensweise
die Funktionsfähigkeit des Massengeschäfts Mehrwertdienste
insgesamt in Frage stellen würde.
bb) Im Interesse der Erhaltung der "Marktgängigkeit"
kostenpflichtiger (und zum größten Teil rechtlich unbedenklicher)
Sprachkommunikationsdienstleistungen, die nicht zuletzt im Interesse
der Kunden liegt, sind nach §
15 Abs. 1 der Telekommunikations-Kundenschutzverordnung vom 11. Dezember
1997 (BGBl. I S. 2910) bei der Inanspruchnahme von Telekommunikationsdienstleistungen
anderer Unternehmen alle kostenpflichtigen Dienstleistungen - wie hier
geschehen - in einer Rechnung zusammenzufassen, ohne daß es erforderlich
ist, die auf die verschiedenen Dienstleistungen entfallenden Entgeltanteile
gesondert auszuweisen. Es genügt die Angabe des Gesamtentgelts.
Zwar erfaßt der Wortlaut der Bestimmung nicht ausdrücklich
(auch) Telefonmehrwertdienste. Eine dahingehende Auslegung ist jedoch
naheliegend und steht im Einklang mit den vorläufigen Regeln der
Regulierungsbehörde sowie der Rechtsauffassung der Beschlußkammer
3 der Regulierungsbehörde (vgl. MMR 2000, 298, 308 f).
cc) Dadurch, daß es dem Vertragspartner des Netzbetreibers verwehrt
ist, sich auf die Sittenwidrigkeit in Rechnung gestellter Telefonsex-Dienste
zu berufen, werden schützenswerte Belange derjenigen, die derartige
Dienste in Anspruch nehmen, nicht verletzt. Ob und mit welcher - die
Sittenwidrigkeitsschwelle überschreitender - Intensität sexualbezogene
Gespräche geführt werden, unterliegt allein der freien, vom
Netzbetreiber nicht beeinflußbaren und nicht kontrollierbaren
individuellen Entscheidung des Anrufers, der zudem zuverlässiger
als jeder andere - anders als dies möglicherweise bei sonstigen
mißbilligenswerten (betrügerischen) Mehrwertdienstleistungen
der Fall ist - die Beschaffenheit der nachgefragten Dienstleistung beurteilen
kann.
IV.
Der Klägerin ist der geltend gemachte Hauptanspruch in voller Höhe
zuzusprechen. Soweit das Berufungsgericht der Klägerin für
die Zeit vom 21. Oktober bis zum 31. Dezember statt der beantragten
und vom Landgericht zugesprochenen 6,5 v.H. nur 5,95 v.H. Zinsen zugebilligt
hat, hat es bei der Klageabweisung zu verbleiben. Rechtsfehler des Berufungsgerichts
sind insoweit nicht erkennbar. Diesbezügliche Rügen erhebt
die Revision nicht.
Im übrigen ist bei der Entscheidung über die Zinsen zu berücksichtigen,
daß der variabel ausgestaltete Zinssatz auch in Zukunft - wie
dies bereits im Zeitraum vom 21. Oktober bis zum 31. Dezember 1999 der
Fall war - unter den vom Berufungsgericht zuerkannten Satz von 6,5 v.H.
fallen kann. Hinsichtlich des vom Berufungsgericht zugesprochenen Hauptsachebetrags
von 5.755,77 DM hat es freilich, da die Beklagte keine Anschlußrevision
eingelegt hat, bei der Nebenentscheidung des Berufungsgerichts zu verbleiben.
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