0190-Dialer und Recht

Dokument im pdf-FormatAG Gießen, Urteil vom 04.05.2004 - Az.: 44 C 22/04

 

Amtsgericht Gießen

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL



In dem Rechtsstreit (…) hat das Amtsgericht Gießen durch Richterin am Amtsgericht Mengel aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 4.5.2004 für Recht erkannt:

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
(…)


Tatbestand:

Das klagende Inkassounternehmen macht Ansprüche auf Telefonkosten aus abgetretenem Recht geltend.
Die Beklagten sind Inhaber eines Festnetztelefonanschlusses, der über die Deutsche Telekom AG abgerechnet wird. Unter dem 28.06.02 (Bl. 32 - 34 ) verlangte die Deutsche Telekom AG von ihnen für die Inanspruchnahme von 0190-er Mehrwertdienstenummern per Internet über das Verbindungsnetz der (…) einen Betrag von 903,58 €. Da die Beklagten bestritten, derartige Leistungen in Anspruch genommen zu haben und deshalb nicht zahlten, übernahmen zunächst die (…) und sodann die Klägerin die Forderungseinziehung.
Zwischen der (…) und der Klägerin besteht eine Abtretungsvereinbarung vom 26.06.01 (Bl. 55), auf deren Inhalt Bezug genommen wird. Danach tritt die Zedentin der Klägerin „Forderungen, die zum Inkasso übergeben werden zum Zwecke der Einziehung" ab. Die Klägerin verfügt über eine Erlaubnis des Präsidenten des Amtsgerichts Darmstadt vom 18.11.03 (Bl. 54) zur Einziehung von Forderungen nach Artikel 1 Rechtsberatungsgesetz.

Mit Schreiben vom 30.08.02 (Bl. 35 ff.) forderten die Beklagten von der (…) einen detaillierten Nachweis der abgerechneten Leistungen. Daraufhin erhielten sie den Ausdruck einer Einzelverbindungsübersicht vom 10.09.02 (Bl. 16), in dem die letzten 3 Ziffern der jeweiligen Zielnummern gekürzt sind und den die Klägerin als Anlage zur Klageschrift zu den Akten gereicht hat.
Die Klägerin behauptet, die Beklagten hätten die abgerechneten Mehrwertdienste in Anspruch genommen. Dazu hätten sie die jeweiligen Verbindungen jeweils selbst durch Einwahl ins Internet hergestellt, nachdem sie über die einschlägigen Tarife informiert worden seien. Eine Überprüfung des Abrechnungssystems der Zedentin hätte keine Mängel ergeben.

In Höhe der ursprünglich verlangten Inkassokosten von 146,63 € hat die Klägerin ihre Klage zurückgenommen.

Sie beantragt,
die Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 903,58 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.07.02 und 2,50 € Mahnkosten zu zahlen.

Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen.

Sie behaupten, sie hätten eine Verbindung zum Internet ausschließlich über die Einwahldienste (…) Internet Call by Call hergestelIt. Der von der (…) ermittelte Anbieter der angeblich genutzten Mehrwertdienstenummer (Bl. 44) sei ihnen unbekannt. Nachdem sie seit Mitte Juni 02 den Computer zunächst nicht mehr genutzt hätten, hätte ein Bekannter ein von ihnen nicht installiertes Einwahlprogramm über eine 0190-er Sonderrufnummer festgestellt.
Zur Ergänzung des Parteivorbringens wird verwiesen auf die Klageschrift vom 07.11.03 (Bl. 12-17), die Klageerwiderung vom 03.02.04 (Bl. 24-44) sowie die Schriftsätze vom 10.03. (Bl. 48-55) und 13.04.04 (Bl. 56-62) nebst Anlagen.


Entscheidungsgründe:

Die Klage ist nicht begründet.

Es fehlt an der Aktivlegitimation der Klägerin.
Eine wirksame Abtretung der Forderung durch die Zedentin an die Klägerin liegt nicht vor. Dazu muß im Zeitpunkt der Abtretung zumindest bestimmbar sein, ob die Forderung von der Abtretung erfaßt wird (Palandt, BGB, 63. Auflage, § 398 Rnr. 14). Das ist hier nicht der Fall. Ausweislich der Formulierung in der Abtretungsvereinbarung vom 26.06.01 werden solche Forderungen abgetreten, die zum Inkasso übergeben werden. Zwar sollen dem ausweislich der gewählten Formulierung wohl auch zukünftige Ansprüche und auch solche aus Verbindungen mit 0190er-Sonderrufnummern unterfallen. Allerdings bleibt völlig offen, welche Forderungen die Zedentin selbst einzieht und welche sie der Klägerin zu diesem Zweck übergibt. Es liegt nahe, dass die Zedentin - wie auch im vorliegenden Fall - den Schuldner zunächst selbst mahnt und erst, wenn sie keine Zahlung erreichen kann, die dem zugrunde liegende Forderung der Klägerin zum Einzug überläßt. Folglich entscheidet sich das Schicksal der Ansprüche erst nach Rechnungsstellung aufgrund des Verhaltens der Schuldner und der darauffolgenden Reaktion der Zedentin. Beides ist im Zeitpunkt der Abtretung nicht vorherzusehen.

Die Wirksamkeit der Abtretung begegnet auch im Hinblick auf das Fernmeldegeheimnis (§§ 206 StGB, 85 TKG) Bedenken. Dieses erstreckt sich auch auf die näheren Umstände der Kommunikation (OLG München, NJW RR 1998, 758 ff.). Insoweit ist die Zedentin zur Verschwiegenheit verpflichtet. Die Beklagten haben weder in die Weitergabe der Verbindungsdaten eingewilligt, noch ist eine solche aufgrund der Abtretungsvereinbarung von vornherein ausgeschlossen. Vielmehr war die Klägerin unstreitig im Besitz von Einzelverbindungsaufstellungen, wie der von ihr eingereichte Ausdruck vom 10.09.02 belegt. Daher verstößt die Abtretung, soweit man sie angesichts der bestehenden Schweigepflicht überhaupt für zulässig erachtet (dazu Pa-landt a.a.O., § 134 Rnr. 22a), in vorliegendem Fall auch nach der von dem Landgericht Frankfurt/Oder im Urteil vom 14.12.01 (Az.: 6 (b) 576/01) vertretenen engeren Auffassung gegen ein gesetzliches Verbot und ist damit nichtig. Hinzu kommt, dass sie zum Zwecke gewerbsmäßiger Forderungseinziehung erfolgte, jedoch die Erlaubnisurkunde dazu erst vom 18.11.03 datiert. Folglich lag im Zeitpunkt des beabsichtigten Forderungsübergangs aus der Rechnung vom 28.06.02 auf die Klägerin noch keine behördliche Erlaubnis nach Artikel 1 § 1 Rechtsberatungsgesetz vor. Die Abtretung verstößt damit gegen ein gesetzliches Verbot und wurde auch nach dessen Wegfall nicht nachträglich durch Bestätigung gemäß § 141 BGB (dazu Palandt a.a.O. § 134 Rnr. 12 b) wirksam.

Letztlich hat die Klägerin auch einen Vergütungsanspruch nicht schlüssig dargetan. Als Anspruchstellerin obliegt ihr der Beweis für das Zustandekommen eines Vertrags über die Erbringung von Mehrwertdienstleistungen und die Höhe der daraus abgerechneten Gebühren. Zwar kann ihr dabei der Beweis des ersten Anscheins zugute kommen. Dies gilt aber nur dann, wenn nach Beanstandung der Rechnung durch die Kunden ein detaillierter Einzelverbindungsnachweis vorliegt und eine technische Überprüfung des Erfassungssystems durchgeführt wurde, § 16 l TKV. Daran fehlt es hier.

Der Einzelverbindungsnachweis ist nicht vollständig, sondern um die letzten 3 Ziffern der jeweiligen Zielnummern gekürzt. Diese Aufstellung gibt daher den technischen Erfassungsvorgang nicht lückenlos wieder und ist deshalb nicht geeignet, einen Beweis für dessen Richtigkeit zu erbringen. Ferner handelt es sich um einen bloßen Bildschirmausdruck vom 10.09.02 und nicht um das auf einem technischen Vorgang beruhende Erfassungsprotokoll. Mithin hat die Klägerin gerade nicht schlüssig vorgetragen, welche Mehrwertdienste die Beklagten in Anspruch genommen haben sollen.

Da die Beklagten mit Schreiben vom 30.08.02 (Bl. 35 ff.) rechtzeitig gegen die Rechnung vom 28.06.02 Einwendungen erhoben haben, durften gemäß § 7 III 4 TDSV zu Beweiszwecken auch die vollständigen Zielnummern gespeichert und nach § 7 V TDSV an die Zedentin zwecks Durchsetzung ihrer Forderung übermittelt werden (OLG Köln, Versicherungsrecht 2001, S. 724 ff., OLG Gelle, NJW RR 1957, 568 ff.). Die Zedentin war daher nicht gehindert, die ungekürzten Verbindungsdaten zu offenbaren.

Auch eine ordnungsgemäße Systemüberprüfung hat die Klägerin nicht dargetan. Es reicht nicht aus, wenn sie lediglich innerhalb des Abrechnungssystems keine Fehler festgestellt haben will. Von einer Richtigkeit der Abrechnung kann nämlich nur dann ausgegangen werden, wenn sowohl das kaufmännische Abrechnungssystem, wie auch das technische Erfassungssystem mangelfrei funktionieren. Insoweit hat die Klägerin noch nicht einmal eine oberflächliche Untersuchung der benutzten technischen Anlage zum Beispiel durch eine Sichtprüfung der Zedentin vorgetragen.

Nach alledem war die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 l, 269 III ZPO.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr 11 711 ZPO.



Mengel
Richterin am AG

 

 

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