0190-Dialer und Recht

5. Der 0190-Dialer beendet die Verbindung nicht

Hier liegt der Fall etwas anders. Denn der Aufbau der Verbindung und damit das Entstehen des Gebührenanspruchs des Netzbetreibers erfolgte mit Wissen und Wollen des Nutzers. Auf Anweisung des Nutzers soll nun der Dialer die Verbindung beenden, tut es aber nicht.

In dieser Fallvariante befinden wir uns wieder mitten in der allgemeinen Rechtsgeschäftslehre, nämlich bei der Frage von der Abgabe und dem Zugang von Willenserklärungen. An dieser Stelle erörtern wir daneben die Möglichkeiten einer Anfechtung wegen arglistiger Täuschung und ihre Rechtsfolgen. Die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung kommt in einigen Fallgestaltungen in Betracht, dazu unten mehr.

a) Wirksame Kündigung?

Jede einzelne Telefonverbindung ist ein Vertrag nach den werkvertraglichen Regeln. Dabei ist vereinbart, dass dieser Vertrag von Seiten des Nutzers jederzeit, nämlich mit dem Auflegen des Telefonhörers unterbrochen werden kann.

Diese Kündigung ist eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung und muss vom Kunden abgegeben werden. Dies tut er, indem er dem Dialer per Mausklick mitteilt, dass er die Verbindung zu beenden wünscht. Diese Willenserklärung geht dem Netzbetreiber jedoch nicht zu - der Dialer tut nämlich nicht, was ihm befohlen wurde. Damit besteht der Vertrag zunächst weiter.

In aller Regel hat der Anbieter des Dialers die Software vorsätzlich so konstruiert, dass er eben nicht auf Anweisung des Nutzers die Verbindung beendet. Ein evtl. Ersatzanspruch gegen den Anbieter (pVV bzw. § 280 BGB n.F.) ist aber mit erheblichen tatsächlichen Schwierigkeiten verbunden, zumal die Anbieter oft vom Ausland aus agieren.

b) Zurechnung zum Netzbetreiber

Einziger Vertragspartner des Kunden (jedenfalls was die Verpflichtung zur Zahlung der Vergütung betrifft) ist nach der Rechtsprechung des BGH außerdem der Netzbetreiber. Der Kunde muss also einen Weg finden, alle seine Einwendungen wirksam gegenüber dem Netzbetreiber geltend machen zu können.

  •  Anbieter des Dialer als Erfüllungsgehilfe?

Der Anbieter des Dialers wurde zunächst nicht als Erfüllungsgehilfe des Netzbetreibers angesehen (§ 278 BGB).

Ein solcher muss nämlich mit dem Willen des Schuldners, d.h. des Netzbetreibers, tätig werden. Es wird vertreten, dass, soweit eine vertragliche Bindung des Schuldners (Netzbetreiber) ohne dessen Willen durch einen anderen herbeigeführt wird, ebenso wie dies bei einer Anscheinsvollmacht der Fall ist, der andere unter bestimmten Umständen als dessen Erfüllungsgehilfe muss aufgefasst werden können (Staudinger, § 278 RN 10 mwN).

Bei einer Anscheinsvollmacht kann der Dritte nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte aus dem äußeren Geschehen auf eine Bevollmächtigung schließen. Diesen Umstand muß der Vertretene zwar nicht kennen, bei Anwendung pflichtgemäßer Sorgfalt aber erkennen und verhindern können.

Analog zu diesen Rechtsgrundsätzen ließe sich also ein "Anscheinserfüllungsgehilfe" konstruieren: Kann der Nutzer davon ausgehen, der Anbieter eines Dialers handele mit Wissen und Wollen des Netzbetreibers und hätte der Netzbetreiber dies erkennen können und verhindern müssen, so ist dem Netzbetreiber das Fehlverhalten und Verschulden des Anbieters zuzurechnen.

Dabei ist allerdings fraglich, ob der Nutzer davon ausgehen darf, der Anbieter eines Dialers handele mit Wissen und Wollen des Netzbetreibers. Außerdem ist nicht anzunehmen, daß es dem Netzbetreiber möglich und zumutbar ist, jede der 0190-Nummern auf die regelmäßige Einwahl durch 0190-Dialer zu überprüfen.

Anderes kann (je nach Vertragsgestaltung) im Falle der 0190-0 Nummern gelten. Der Nummernbetreiber legt in der Regel selbst die Höhe des Entgeltes fest und ist damit auf Seiten des Netzbetreibers am Zustandekommen des Telefonvertrages wesentlich beteiligt. Eine Anfechtung ist dann ohne weiteres gegenüber dem Netzbetreiber möglich.

Nach Auffassung des Kammergerichtes (27. Januar 2003
26.U.205/01)
ist jedoch der Dialeranbieter Erfüllungsgehilfe (§ 278 BGB) des Netzbetreibers. Eine Täuschung des Nutzers durch den Dialeranbieter müsste sich der Netzbetreiber daher zurechnen lassen. Begründet wird dies mit dem hohen wirtschaftlichen Interesse des Netzbetreibers an der Anwahl der Mehrwertrufnummern.

  • Zurechnung der Zugangsvereitelung?

Die Zugangsvereitelung kann dem Netzbetreiber nicht generell zugerechnet werden.

Sind dem Netzbetreiber allerdings die Umstände bekannt, unter denen die Nutzer von Dialern getäuscht werden, kann das Verschulden des Nummernbetreibers dem Netzbetreiber nach obigen Grundsätzen zugerechnet werden. Die Beweisschwierigkeiten hierbei dürften jedoch kaum überwindbar sein.

c.) Anfechtung

  • Irrtumsanfechtung

Eine Irrtumsanfechtung gem. § 119 BGB kommt nicht in Betracht, der Nutzer hat nämlich genau das erklärt, was er erklären wollte, die Willenserklärung ging jedoch nicht zu.

  • Anfechtung wegen Täuschung

Allerdings kann der geschlossene Vertrag wirksam gemäß § 123 BGB wegen arglistiger Täuschung angefochten werden.

Die Täuschungshandlung liegt darin, dass der Anschein erweckt wurde, der Nutzer könne die Verbindung und damit das Entstehen von Kosten nach eigenem Willen und zum selbst gewählten Zeitpunkt beenden.

Problematisch dabei ist, dass nicht der Netzbetreiber diese falschen Tatsachen vorspiegelt, sondern ein dritte Person, der Anbieter der Dialersoftware.

Nach § 123 II BGB ist eine Willenserklärung, die durch Täuschung eines Dritten veranlasst wurde, nur dann anfechtbar, wenn der Erklärungsempfänger (der Netzbetreiber) die Täuschung kannte oder kennen musste.

Dritter im Sinne des § 123 BGB ist aber nicht jeder Dritte im herkömmlichen Sinne, sondern nur der am Geschehen Unbeteiligte. Kein Dritter ist, wer auf Seiten des Erklärungsempfängers (Netzbetreiber) steht und maßgeblich am Zustandekommen des Vertrages mitgewirkt hat. Klassische Beispiele hierfür sind Vertreter oder Erfüllungsgehilfen.

Dritter kann aber durchaus nicht nur ein gänzlich unbeteiligter Begünstigter sein, auch durch ein wirtschaftliches Interesse des Täuschenden braucht seine Stellung als Dritter nicht berührt zu werden (BGH WM 63, 250; BGH NJW 62, 1907), in diesem Falle scheidet eine Anfechtung nach § 123 II S. 1 BGB aus.

Unseres Erachtens ist der Anbieter des Dialers deshalb Dritter, weil er den Netzbetreiber ohne dessen Wissen und Wollen nur wie ein Werkzeug benutzt. Der Netzbetreiber wird zwar Vertragspartner, das Tätigwerden des Anbieters kann ihm aber nicht zugerechnet werden

Letztendlich kann diese Frage, ob der Anbieter Dritter ist oder nicht, unbeantwortet bleiben, weil es eine weitere Möglichkeit gibt, den Vertrag zu beseitigen.

Gem. § 123 II S. 2 BGB ist eine Erklärung nämlich dann anfechtbar, wenn ein Dritter eine Täuschung begangen hat und dieser Dritte aus der Erklärung unmittelbar ein Recht erworben hat.

Typisch für den Fall des § 123 II S. 2 BGB ist eine Vier-Personensituation: Person A täuscht, B schließt mit C einen Vertrag aus dem D unmittelbar ein Recht erwirbt.

So ist es hier: Der Betreiber der Webseite, von der der Dialer heruntergeladen wird, täuscht den Nutzer, Nutzer und Netzbetreiber schließen einen Vertrag, der Inhaber der 0190 Rufnummer erwirbt gegenüber dem Netzbetreiber entsprechend der zwischen diesen beiden getroffenen vertraglichen Abreden einen Vergütungsanspruch.

Damit wird zunächst nur der Anspruch des Anbieters gegen den Netzbetreiber beseitigt ("soweit"), des weiteren erstreckt sich die erklärte Anfechtung auch auf den zwischen dem Kunden und dem Anbieter geschlossenen Vertrag auf "Unterhaltung" (welcher Art auch immer).

§ 139 BGB bestimmt nämlich, dass bei Teilnichtigkeit eines Rechtsgeschäftes das ganze Rechtsgeschäft nichtig ist, wenn nicht anzunehmen ist, dass es auch ohne den nichtigen Teil vorgenommen sein würde.

§ 139 BGB ist auch anwendbar (Staudinger, § 123 RN 37, Soergel § 123 RN 36), obwohl es sich streng genommen ja um zwei verschiedene Rechtsgeschäfte handelt (siehe Vertragsfragen). Beide Vereinbarungen "stehen und fallen" (BGH DB 1976, 1497; BGH NJW 1990, 1474) aber miteinander, der Einheitlichkeitswille einer Partei ist, wenn er von der anderen erkennbar war und hingenommen wurde, schon ausreichend (vgl. hierzu Palandt § 139 RN 5 ff. mwN).

Daher beseitigt eine Anfechtungserklärung gegenüber dem Inhaber der 0190-Nummer auch das Rechtsgeschäft mit dem Netzbetreiber.

  • Anfechtungserklärung

Die Anfechtungserklärung sollte schriftlich erfolgen, begründet werden (§ 143 BGB) und so zugestellt werden, dass im Falle eines streitigen Verfahrens der Zugang beweisbar ist.

  • Anfechtungsfrist

Gem. § 124 BGB hat die Anfechtung innerhalb einer Frist von einem Jahr nach Kenntnis von der Täuschung, spätestens aber nach dreißig Jahren seit Vertragsschluss zu erfolgen.

Anfechtungsgegner

Die Anfechtungserklärung muss dem richtigen Anfechtungsgegner zugehen.

Vorsorglich sollte gegenüber dem Netzbetreiber angefochten werden (s.o.) vor allem aber demjenigen gegenüber, der Inhaber der vom Dialer angewählten 0190-Nummer ist, dieser ist in den Fällen des § 123 II S. 2 BGB der richtige Anfechtungsgegner. Dabei ist nicht notwendigerweise der letzte Inhaber herauszufinden, es genügt die Anfechtung gegenüber dem ersten Vertragspartner des Netzbetreibers.

Herauszufinden, wer Inhaber der 0190-Nummer ist, kann mit tatsächlichen Schwierigkeiten verbunden sein. Die Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post vergibt die 0190-Rufnummern in Blöcken an die Netzbetreiber. Welcher Netzbetreiber den Block, der die fragliche Nummer zuzuordnen ist, betreibt, kann auf der Internetseite der RegTP abgefragt werden. Um dann den Rufnummernbetreiber ausfindig zu machen, bedarf es einer Nachfrage beim Netzbetreiber. Die Telekom beispielsweise bietet an, unter der Nummer 0800 3301900 den Rufnummernbetreiber zu erfragen. Die Netzbetreiber sind womöglich nach § 312c III S. 2 BGB n.F. zur Auskunft über die Niederlassung des Nummernbetreibers verpflichtet, die Rechtslage ist allerdings noch völlig unklar. Die die Bundesregierung plant eine gesetzliche Regelung, die auch Privatpersonen umfangreiche Auskunftsansprüche (ähnlich § 13 UklaG) geben soll.

Weigert sich ein Netzbetreiber, Auskunft zu erteilen, muss die Anfechtungserklärung gem. §§ 132 BGB, 204 ff. ZPO öffentlich zugestellt werden.

  • Anfechtungsfolge

  • Der geschlossene Vertrag ist nach der Anfechtung gem. § 142 BGB als von Anfang an nichtig zu betrachten.

  • Weiß der Netzanbieter um die Tatsache, dass eine bestimmte Nummer regelmäßig von Dialern angerufen wird, so ist der Vertrag unseres Erachtens sogar ohne weiteres von Anfang wegen Sittenwidrigkeit ( § 138 BGB) nichtig. Selbstinstallierende Dialer oder solche, die die Verbindung nicht wie gewünscht trennen, nutzen die Unerfahrenheit, das Vertrauen und mangelnde EDV-Kenntnisse des Nutzers in unlauterer Art und Weise aus. Ist dies dem Netzbetreiber bewusst, fördert er die sittenwidrige Absicht des Rufnummernbetreibers und muss sich die Sittenwidrigkeit gem. § 138 BGB entgegenhalten lassen.

d.) Widerrufsrecht

Der Nutzer eines Dialers in der Situation einer arglistigen Täuschung wird weder vom Anbieter des Dialers noch vom Nummernbetreiber hinreichend entsprechend der Regelungen über Fernabsatzverträge (§ 312b BGB n.F.) informiert werden.

Dennoch gibt dies dem Nutzer in diesem speziellen Fall (keine Abwahl, obwohl gewünscht) kein Widerrufsrecht, da der Anbieter der Dienstleistung auf ausdrückliche Anweisung des Verbrauchers mit Ausführung seiner Dienstleistung begonnen hat (§ 312d III BGB n.F.).


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